Bei S21 wird überall schöngerechnet

Von Beginn der Proteste an wichen die Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen gegen Stuttgart 21 stark ab, je nachdem wer sie erhob. Die gezählten und hochgerechneten Angaben der Veranstalter und die von der Polizei geschätzten Zahlen hatten teilweise sogar Differenzen von bis zu 100%.

Bei der letzten Montagsdemo zählten die Veranstalter beinahe 20.000 Demonstranten und belegen diese Zahlen auch nachvollziehbar, während die Polizei die gleiche Menge Menschen auf lediglich 3.000 schätzte. Die Polizei gab jedoch stets zu, tatsächlich nur zu schätzen, die Zahlen erheben also von jeher keinen allzu großen Anspruch auf Genauigkeit. Dass der sogenannte „Qualitätsjournalismus“ in Funk und Presse sich größtenteils dennoch auf diese Zahlen beruft, ist eigentlich sogar ein Kapitel für sich. Ich frage mich aber trotzdem, warum denn nicht zum Beispiel eine so große Anstalt wie der Südwestrundfunk nicht schon längst einmal selbst ans Zählen gemacht hat um so seiner Informationspflicht nachzukommen. Gibt der Anspruch an die eigene Qualität dies nicht her? Es wurden jedenfalls schon für sinnlosere Projekte Rundfunkgebühren verschwendet.

Doch zurück zu den abweichenden Zahlen, die von der Polizei in Umlauf gebracht werden. Natürlich kann man hier auch politische Gründe vermuten, denn es ist sicher nicht im Interesse des baden-württembergischen Innenministeriums, die wahren Dimensionen der Montagsdemos und anderen Kundgebungen gegen das Milliardengrab S21 publik zu machen. Doch es gibt noch ein anderes Motiv: die Polizei kommt bereits jetzt, zu Beginn der mindestens zehn Jahre währenden Baumaßnahmen, nicht mehr mit den Dimensionen des Protests zurecht, für die Betreuung der Großveranstaltungen steht anscheinend nicht genug Personal zur Verfügung. Weniger Demonstranten heisst, es werden weniger Polizisten benötigt. Und das Personal bei der Polizei ist knapp. Erschreckend wäre in diesem Zusammenhang – und auch mit dem Blick in Richtung der tragischen Ereignisse in Duisburg bei der Loveparade – falls hier abermals Zahlen im Zusammenhang mit Stuttgart 21 schöngerechnet würden – und dies vor allem zu Lasten der Sicherheit von Demonstrationsteilnehmern und Polizisten geht.