Was macht eigentlich Kai?

In den letzten Wochen habe ich zwei Filme über den Apple-Mitbegründer Steve Jobs gesehen, einmal den Spielfilm „Jobs“ von 2013 mit Ashton Kutcher in der Titelrolle, und zweitens die BBC Dokumentation „Billion Dollar Hippy“. Und als ich mich mit diesen visionären, innovationshungrigen Menschen wie Jobs oder auch seinem Apple-Mitbegründer Steve Wozniak beschäftigte und mich an meine ersten Kontakte mit deren Produkte in den Räumen meines Ausbildungsbetriebs erinnerte (unter anderem hatten wir dort neben einigen Macs auch eine NeXTstation) fiel mir ein anderer Visionär aus dieser Zeit wieder ein: Kai Krause. Mit den 1992 erschienenen Photoshop-Plugins Kai’s Power Tools beschäftigen wir uns damals auch, wenn auch weniger zu Produktionszwecken, es waren vielmehr Spielereien und Experimente. Da sich Kai Krause durch seine Produkte damals der Welt nur als „Kai“ vorgestellt hat, bleib ich mal beim Vornamen.

Bryce
Mit dem Computerprogramm Bryce 2.1 erstelltes virtuelles Landschaftsbild
Den aus Nordhrein-Westfalen stammenden zog es bereits 1976 mit 19 Jahren nach Kalifornien, wo er sich zuerst vor allem mit elektronischer Musik beschäftigte, später aber vor allem durch die bereits erwähnten Photoshop-Plugins von sich reden machte. Später folgten noch Programme wie Poser und Bryce, mit dem sich fantastische Landschaften gestalten ließen. Kai schuf damit zum Beispiel gemeinsam mit Douglas Adams himself Coverabbildungen für Taschenbuch-Ausgaben von Adams. Das Besondere an Kais Software war meiner Meinung nach vor allem die interessante, völlig andersartige Benutzeroberfläche, die den Bemühen folgte, der Interaktion mit dem Computer etwas haptisches zu verleihen.

Burg Rheineck
Burg Rheineck – die „Byteburg“
Kai kehrte Anfang des neuen Jahrtausends nach Deutschland zurück, kaufte sich eine Burg am Rhein und wollte dort unter dem Namen „Byteburg“ eine Art Innovationswerkstatt gründen. Das klang damals sehr spannend, hat laut Zeitungsberichten aber wohl leider nicht so gut funktioniert wie gedacht, endete laut Springer-Presse teilweise sogar in einem Milliardengrab, wobei sich das wohl eher auf andere Geschäfte im Raum Köln bezieht.

Jedenfalls war in der Öffentlichkeit in den nächsten zehn Jahren wenig von Kai zu sehen oder zu hören, er selbst spricht auf seiner persönlichen Website (es ist kein Blog) sogar von einem Presse-Embargo. Eine ganz schön lange Zeit, in der viel passierte. Dass Kai in dieser Zeit allerdings keineswegs untätig war habe ich auch erst durch diese (neue?) Website erfahren, da er dort unter anderem sein Projekt „Frax“ vorstellt, eine „liebe kleine App“, mit der man Fraktalbilder erschaffen kann. Ich hatte neulich einmal die Gelegenheit, ein wenig damit rumzuspielen und muss sagen, das hatte durchaus etwas meditatives! Ist zwar nicht so, dass ich mir deshalb ein iOS-Gerät zulegen würde, aber wenn ich eines hätte, würde ich mir die App sicher kaufen.

Einen weiteren Schritt in die öffentliche Wahrnehmung machte Kai mit Hilfe seines Freundes Steven Fry, mit dem folgenden Tweet:

Wenn Twitter nicht lügt, ist dieser Tweet bereits vier Jahre alt, sucht man auf Twitter allerdings nach „True Size of Africa“, stellt man überrascht fest, dass sich diese Geschichte geradezu viral seit dieser Zeit im Netz aktuell gehalten hat, mehrmals täglich findet man einen neuen Tweet dazu. Hier noch weitere Hintergrundinformationen von Kai selbst. Ich finde dieses Thema auch deshalb spannend, weil ich schon selbst mit der irreführenden Darstellung von Weltkarten in der Mercator-Projektion zu tun hatte.

Weltkarte in klassischer Mercator-Projektion
Weltkarte in klassischer Mercator-Projektion
Irreführend ist die Mercator-Projektion insofern nicht unbedingt, weil sie ja eben erfunden wurde, um Seefahrern winkelgetreue Karten liefern zu können, damit diese erfolgreich zu ihren Zielen navigieren konnten. Auf kleineren Kartenausschnitten, wie sie von Seefahrern in der Regel verwendet werden, funktioniert das auch. Sie wurde aber eben nicht für die Darstellung von Weltkarten gemacht, da sie dort zu den massiven Flächenverzerrungen führt, die auch Kai in seinem Artikel thematisiert. So erscheint zum Beispiel bei dieser Form der Weltkarte Afika nicht viel größer als Grönland. Ein Ausschnitt aus der US-Fernsehserie „The West Wing“ verdeutlicht dies ebenfalls ganz gut:

Es ist schlichtweg nicht möglich, die Weltkugel wahrheitsgetreu auf einer Fläche abzubilden, soviel steht fest. Aber die Auswahl des „Kompromisses“ ist oft eben auch politisch motiviert. Ich empfehle deshalb jedem, ab und zu mal einen Globus zu betrachten – und diesen gerne auch mal auf den vermeintlichen „Kopf“ zu stellen, um das eigene Weltbild(!) wieder ein bisschen gerade zu rücken. Denn das „Wir da oben, ihr da unten“-Bild der Tagesschau-Weltkarte ist eben kein realistisches Abbild unseres Planeten. [Update 2014-12-01: Die in dem „West Wing“-Ausschnitt präsentierte Gall-Peters-Projektion allerdings auch nicht…]

Wir sehen, Kai macht sich weiterhin Gedanken. Teilweise sogar sehr tiefe Gedanken. Das finde ich bemerkens- und berichtenswert. Er „outet“ sich übrigens selbst auch als XKCD-Leser, zumindest habe ich seine Zeilen »“Are you coming to bed, honey?” “No not yet -there is someone wrong on the internet!”« so interpretiert. Und so hoffe ich auf weitere Inspirationen und Anregungen „von der Burg“ – in welcher Form auch immer.

The Imitation Game: „Setzten, sechs“?

„Alan Mathison Turing (1912 – 1954) war ein britischer Logiker, Mathematiker, Kryptoanalytiker und Informatiker. Er gilt heute als einer der einflussreichsten Theoretiker der frühen Computerentwicklung und Informatik. Turing schuf einen großen Teil der theoretischen Grundlagen für die moderne Informations- und Computertechnologie. Als richtungsweisend erwiesen sich auch seine Beiträge zur theoretischen Biologie.“ So beginnt der Wikipedia-Artiel über Alan Turing. Ich habe mich mit Alan Turing nach der Lektüre von Neil Stephensons größtenteils fiktiven Roman Cryptonomicon ein wenig beschäftigt, auch wenn ich natürlich schon von der dank ihm entschlüsselten Enigma gehört hatte. Was ich bis dahin aber nicht wusste war, dass Turing 1952 wegen damals in Großbritannien strafbarer Homosexualität bestraft und zur chemischen Kastration verurteilt wurde. Die hormonelle Kastration führte dazu, dass Turing an Derepression erkrankte und wenig später Selbstmord beging. Es sollte 52 Jahre dauern, bis sich die Britische Regierung für die entsetzliche Behandlung Turings entschuldigte, 2013 wurde Turing von Königin Elizabeth posthum begnadigt.

Der allseits verehrte Schauspieler Benedict Cumberbatch verkörpert nun im neuen Film „The Imitation Game“ den legendären Turing. „The Imitation Game“ hatte bereits diesen Sommer Premiere und gewann auch schon Preise bei Festivals, in Deutschland soll er im Januar in die Kinos kommen. Der Film erhielt ganz passable Kritiken (zum Beispiel bei Rotten Tomatoes), doch leider scheint das Historiendrama gerade auf historischer Ebene einen schweren Fehler zu begehen, indem es Turings Homosexualität in einer Art instrumentalisiert, um ihn als Verräter abzustempeln. Turing hat in dem Film wohl ausgiebig Kontakt mit John Cairncros, der in der Tat auch im wirklichen Leben für die UdSSR spioniert hat. Die späteren Spionageermittlungen sollen dann laut Film erst zur Untersuchung und Verurteilung von Turings Homosexualiät geführt haben. Mehr dazu ein einem Artikel der britischen Historikern Alex von Tunzelmann beim Guardian, die noch weitere geschichtliche Unzulänglichkeiten des Films erwähnt oder bei Wikipedia.

So sehr ich es begrüßenswert finde, an Alan Turing und seine Leistung mit einem großen Kinofilm zu erinnern, so ist es doch schade, wenn das Ergebnis in grundlegenden geschichtlichen Dingen so daneben liegt und letztendlich nur romantisiertes Hollywood-Kino übrig bleibt.

Europäischer Mauerfall

Wold Biermanns „Ansprache“ zum 25. Jahrestag des Mauerfalls hat für einigen Wirbel gesorgt. so dass an diesem Tag eine andere Aktion fast ein wenig unterging: Das Zentrum für Politische Schönheit hatte vor den Gedenkfeiern am 9. November die 14 weißen Kreuze zum Gedenken an die Mauertoten der DDR in Berlin abmontiert, um sie zu den Maueropfern von heute, an Europas Außengrenzen, zu bringen und damit den „Ersten Europäischen Mauerfall“ einzuleiten.

Bundestagspräsident Norbert Lammert bezeichnete die Kunstaktion als „Diebstahl“ und warf den Aktionskünstlern „blanken Zynismus“ vor. Dabei empfinde ich den Umgang der Regierungen Europas mit den Flüchtlingen aus aller Welt weitaus zynischer und es wäre wohl sinnvoller und menschlicher, etwa eine Europäische Seenotrettung aufzubauen (siehe auch die Aktion von Pro Asyl), anstatt zum Beispiel die EU-Grenztruppe Frontex militärisch hochzurüsten und gleichzeitig mit Waffenlieferungen in Krisengebiete die dortigen Konflikte weiter anzufeuern und noch mehr Menschen zur Flucht zu zwingen.

Die „gestohlenen“ Gedenkkreuze in Berlin sind übrigens längst wieder an ihrem Platz.

Hier weitere Kommentare und Artikel zum Thema:
Mauertote versus Frontexopfer (Martin Kaul, taz)
Im Schatten der Mauer (Ines Kappert, taz)
Im Zweifel für die Freiheit (Rüdiger Schaper, Tagesspiegel)
Grenzen einreißen (Juliane Löffler, Der Freitag)

Artikelbild basierend auf: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von noborder network

Zum Streiken

Mein Thema der Woche war eindeutig der Streik der Lokführergewerkschaft GDL bei der Bahn, aber vor allem der Umgang damit. Ein Grund für mich, dies hier nocheinmal festzuhalten.

Persönlich war ich in meiner Reiseplanung vom Streik recht wenig davon getroffen, obwohl ich normalerweise jeden Tag die Bahn nutze. Die meisten meiner Verbindungen fuhren normal – bis auf die alltäglichen Störungen im Betriebsablauf, wie Signalstörungen. Einmal war ein Kollege so freundlich, mich nach der Arbeit im Auto mitzunehmen. Am Wochenende griff ich für die Heimreise auf eine Mitfahrgelegenheit zurück, was für mich auch eine neue und in diesem Fall sehr positive Erfahrung war.

Erschreckend an der ganzen Geschichte war für mich vielmehr der Umgang der Medien und der Politik mit diesem Streik. So wurde trotz Notfallfahrplan, Fernbus-Boom und anderem gar davon geredet, der Streik der Lokführer würde das ganze Land stilllegen, ja sogar von „Geiselhaft“ war die Rede. Erinnerungen an dunkelste Kapitel der jüngeren europäischen Geschichte wurden wach, sei es die Pogrome der 1930er Jahre oder der gewaltsamen Bekämpfung der Bergbau-Gewerkschaften im Großbritannien Margaret Thatchers. Die Äußerungen des Thomas Oppermann, dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, scheinen beispielsweise in erschreckender Weise in eine ähnliche Richtung zu zielen. Da stellt ein sogenannter Sozialdemokrat einer Gewerkschaft die Vertretungsansprüche einem Großteil ihrer Mitglieder in Abrede, dass mir nur noch die Spucke wegbleibt. Interessanterweise scheinen selbst einige CDU-Politiker die aktuelle Situation besser analysiert zu haben und fordern gar eine Wiederverstaatlichung des Bahnunternehmens, das seine unternehmerische Energie seit vielen Jahren eher in abenteuerliche Auslandsprojekte statt in einen gut funktionierenden Eisenbahnverkehr in Deutschland steckt.

Die GDL hat ihren aktuellen Streik als Zeichen guten Willens deutlich früher beendet als zunächst angekündigt. Mit dem Ende des aktuellen Streiks scheint die Diskussion in der Öffentlichkeit vorerst beendet zu sein. Ich hoffe aber, das das System „Deutsche Bahn“ weiterhin die gestiegene Beachtung findet, welches ihm dank des Streiks zufiel und vielleicht auch die Presse endlich Themen wie Stuttgart 21 die dringend nötige Aufmerksamkeit widmet, dass viel mehr als ein paar Tage Lokführerstreik eine ganze Region stillzulegen droht, ja geradezu in Geiselhaft zu nehmen, weil der Finanzierungsrahmen längst gesprengt ist, aber keiner der Projektpartnern den Mut hat, das scheiternde Projekt zielstrebig zu beenden.